22.10.2008: Monheimer Wochenanzeiger: Pipeline-Reparaturbericht reißt nur neue Löcher auf

Bayer und Büssow – „Weiterhin nicht zählbar, nicht wiegbar und nicht messbar“ Von Thomas Spekowius
Monheim am Rhein Der Kampf gegen die Inbetriebnahme der Bayer CO-Pipeline geht in die nächste Runde. Und er bleibt ein hochinteressantes Lehrstück über die Abwägung von Bürger- und Industrie-Interessen durch Politik, Behörden und Gesetzgeber in unserem Land.
Am Mittwoch 15. Oktober, unterzeichnete Regierungspräsident Jürgen Büssow seinen „Planergänzungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb einer Rohrfernleitungsanlage zum Transport von gasförmigem Kohlenmonoxid von Köln-Worringen bis nach Krefeld-Uerdingen der Firma Bayer Material Science AG (BMS)“ Ein genau 82 Seiten langer Reparaturbericht, mit dem der Behördenleiter versucht, die Fehler, die das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster ihm in seinem Planfeststellungsbeschluss vom 14. Februar 2007 nachgewiesen hat, auszumerzen.
Genüsslich und doch mit dem gebotenen juristischen Ernst wurden diese 82 Seiten nun am gestrigen Dienstag von Rechtsanwalt Dr. Jochen Heide, dem juristischen Beistand des Monheimer Klägerpaares Muhr, und Monheims Bürgermeister Dr. Thomas Dünchheim quasi in der Luft zerrissen. Ihr Urteil ist nur vernichtend zu nennen. Heide: “Das diesen 82 Seiten wurden keine Löcher gestopft, sondern nur neue gerissen“. Dünchheim: „Das rechtliche Prozedere, auf das wir hier in diesem Land zu Recht stolz sein können ist klar: Auf die Planung eines solchen Projektes muss als zweiter Schritt eine öffentliche Diskussion und Beteiligung erfolgen und schließlich als dritter Punkt eine Abwägung. Die Münsteraner Richter haben gesagt, lieber Herr Büssow, Du hast Fehler bei Schritt 1 gemacht. Das Gesetz sagt eindeutig: Bei einer Nachbesserung musst Du bei dem Schritt wieder ansetzen, wo Du den Fehler gemacht hast. Den Schritt 2, die öffentliche Beteiligung also, hat Büssow als Geheimagent der Bayer AG aber erneut ausgelassen. Ein klarer Verfahrensfehler“. Und ein Verfahrensfehler den der Regierungspräsident womöglich riskieren musste. Heide: „Denn so eine öffentliche Beteiligung kostet viel Zeit, viel Zeit, bestimmt ein Jahr. Und Bayer läuft die Zeit davon. Außerdem waren die ja zufrieden. 95.000 Unterschriften gegen die Pipeline und nur eine handvoll Kläger. Das könnte sich bei einer neuen Beteiligung sehr zum Nachteil verkehren.“
Über eine Stunde lang zeigten die beiden Juristen Frage um Frage, Loch um Loch in dem 82-seitigen Reparaturbericht auf, um zu dem gemeinsamen Ergebnis zu kommen: „Wir sind ungebrochen mit großem Siegesbewusstsein ausgestattet und gehen mit der notwendigen Gelassenheit in das weitere Verfahren. Auf diesen 82 Seiten stehen nur Drohgebärden und nebulöse Andeutungen von Bayer, was das Allgemeinwohl betrifft. All das bleibt nicht zählbar, nicht wiegbar, nicht messbar. Es gibt keine Garantien zum Ausbau oder dem Erhalt von Arbeitsplätzen, keinen Wechselschein, den man später einlösen könnte – nichts.“ Und in Sachen Sicherheit, ebenfalls nach wie vor ein Bestandteil der Diskussion, kann praktisch nichts Entscheidendes mehr getan werden. Die einwandigen Rohre für den hochgefährlichen Inhalt (Heide: „Das ist nicht mehr als eine aufgepeppte Erdgasleitung.“ Dünchheim: „Nicht mehr Stand der Technik.“) liegen ja längst verbuddelt in der Erde.
Noch liegt der Planergänzungsbeschluss den Richtern nicht vor. Geht man davon aus, dass die Richter ihn in Düsseldorf wie schon 2007 rasch abnicken werden, geht’s dann erneut flott weiter nach Münster. Dort jedoch wird ganz sicher wieder genauer hingeschaut. Im Frühjahr oder Sommer 2009 dürfte dann verkündet werden, ob die Gesetzeshüter den Planergänzungsbeschluss vielleicht ganz anders als Dr. Heide und Dr. Dünchheim bewerten und diesmal Büssow und Bayer sehr wohl folgen können oder ob sie erneut den Zweifeln und Bedenken der Bürger und ihrer Anwälte Recht geben: Ende offen! Denn wie heißt es doch so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Quelle: Wochenanzeiger vom 22.10.08

KOMMENTAR

Mit verstärktem Helm vor die gleiche Wand

von Thomas Spekowius
Es bleibt dabei. Die Pressekonferenzen zum Thema Pipeline werden als Sternstunden des Monheimer Bürgermeisters in die Geschichte der Stadt eingehen. Und zwar völlig egal wie’s am Ende ausgeht.
Auch am Dienstag war der studierte Jurist Dr. Thomas Dünchheim wieder voll in seinem Element. Von Nebelkerzen wie zuletzt bei Fragen, die seine Kandidatur 2009 betreffen keine Spur. Stattdessen mal wieder klare Worte, klare Argumente und eine klare Botschaft: Wir können eigentlich nur gewinnen! Dazu noch ein bestechender Mitstreiter an seiner Seite. Es klingt einfach alles so unglaublich eindeutig. Wer Jochen Heide und Thomas Dünchheim gestern reden hörte, der muss eigentlich überzeugt sein: Jawohl, das sind die Guten. Und: Das Gute wird siegen. Sogar vor Gericht. Und sogar gegen den Willen aller Landespolitiker außerhalb der gallischen Dörfer entlang der Pipeline-Trasse.
Aber Zweifel bleiben, wenn man nicht gerade glaubt, dass Bayer und der Regierungspräsident nur hochbezahlte Volldeppen in ihren Rechtsabteilungen beschäftigen. Schließlich ist nur zu hoffen, dass man auch dort, von dem was man tut, überzeugt ist. Das macht’s ja gerade so spannend. Und Apropos Spannung: Es dürfte noch mächtig interessant werden, ob sich der wieder einmal als „Geheimagent der Bayer AG“ verunglimpfte Regierungspräsident nicht noch als echter Problemfall für den Weltkonzern herausstellt. Das Image vor Ort ist eh schon angeknackst. Nun laufen sie mit Büssow das zweite Mal vor die gleiche Wand in Münster nur mit neu verstärktem Helm. Mal schauen, wo es diesma

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